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Leid kann zum Segen werden, Bitterkeit nie

Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit – GCJZ März 2011

 

Nr. 7  März 2011 Krause PodiumAls am 21. März 2011 die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und die Ev. Hilfsstelle für ehemals Rassenerfolgte aus Anlass des 50. Jahrestages des Eichmann-Prozesses in Jerusalem zu einer Podiumsdiskussion in das Centrum Judaicum in der Oranienburger Str., Berlin, einluden, war der große Saal gut besetzt.

 

Es lag eine gewisse Atmosphäre des Unheimlichen in der Luft. Wird es ein Erinnern sein, aus dem wir Heutigen noch etwas lernen können oder wird es vergleichbar mit anderen Gedenkveranstaltungen etwas Routiniertes an sich haben?

 

Auf dem Podium waren als Sprecher: Klaus Bölling, Staatssekretär a.D. und Walter Sylten, Inge Deutschkron hatte abgesagt. Die Moderation lag bei Dr. Peter Krause.

 

Die Erinnerung an die Zeit um 1961 in Israel zu wecken, ist unter dem Eindruck der gegenwärtigen Spannungen im Land nicht leicht. Das Bild Deutschlands zu dieser Zeit unterschied sich wesentlich zu demjenigen heute. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen lag noch als Aufgabe in der Zukunft. Das Land befand sich im Aufbau. Die zionistische Idee beflügelte den Willen und das Leben des Volkes. Der Last und der Schatten der schlimmen Vergangenheit versuchte man sich zu erwehren, nicht zuletzt durchs Schweigen. Jerusalem war noch geteilt. Die deutsche Sprache war aus dem Alltag verbannt. Europa hatte seinen Glanz für unbestimmte Zeit verloren.

Die Rückkehr in das Land der Väter und der Neubeginn mit der Gründung des Staates gab dem Leben genug an Stoff. Dazu kam, dass die arabischen Staaten, das junge Staatswesen von Anfang an bedrohten.

 

Die Bedeutung, die dem Eichmann-Prozess auf diesem Hintergrund zukommt, ist einmalig. Er erschütterte das Land und gab Impulse dafür, sich auch der Vergangenheit zu öffnen.

 

Einen geradezu historischen Eindruck hinterließen die Zeugenaussagen Heinrich Grübers, als einzigem nichtjüdischem Deutschen, die in einer TV- Dokumentation noch einmal präsent wurden. Jedesmal wenn ich diese seine Worte und seine Stimme höre, erkenne ich in ihm einen wunderbaren Menschen, von hohen ethischen Prinzipien und einer über -zeugenden christlichen Nächstenliebe. Inge Deutschkron im Zitat: „Die Tatsache Grüber 1961 in Jerusalem war eine Irritation. Die Israelis fingen an, an ihrem Deutschlandbild zu zweifeln.“

 

Der Name Propst Grübers wurde im ganzen Land schlagartig bekannt und man brachte ihm großen Respekt und viel Sympathie entgegen. Sein Aufruf zur Versöhnung bewegte die Herzen. Er wurde erhört.  Die Aufmerksamkeit der beiden Zeitzeugen galt auch intensiv der Person Adolf Eichmanns. Was für ein Charakter war er? Die Dokumentation ließ ebenso seine Person vor Augen treten, den kleinen fast unscheinbar wirkenden, aber in eisiger Kälte blickenden Mann, den Hannah Arendt als die „Banalität des Bösen“ karikiert hatte.

 

Wieviel Verantwortung hat er wirklich getragen, er, der sich bloß als Schreibtischtäter verstanden wissen wollte? Und war das Todesurteil berechtigt?

 

Männer, wie Martin Buber, lehnten das Urteil aus religiösen Gründen ab.

 

Da Heinrich Grüber selbst danach befragt wurde, möchte ich seine eigene Meinung dazu zitieren:

„Vor der Deutsch-Israelischen Studentengruppe an der Universität Göttingen gab Propst Grüber folgende Erklärung:

Ich bitte zuerst auf eine Frage eingehen zu dürfen, die mir in diesen Tagen oft gestellt wurde, und die heute einer Beantwortung bedarf. Sie wissen, dass in dieser Nacht das Urteil an Adolf Eichmann vollstreckt wurde, nachdem der Staatspräsident einen Gnadenerweis ab - gelehnt hat. In der letzten Zeit ist man von den verschiedensten Seiten an mich herangetreten mit dem Ersuchen, ich sollte, da ich Gegner der Todesstrafe sei mich auch in diesem Falle gegen die Vollstreckung der Todesstrafe aussprechen.

 

Als das Urteil erstmals verkündet wurde, hat es keine drei Stunden gedauert, bis die ersten Pressevertreter bei mir waren, um meine Stellungnahme zu dem Urteil zu erkunden. Damals sagte ich, dass ich kein Recht habe, über dieses Urteil zu urteilen oder es zu verurteilen. Ich habe in dem Gerichtsverfahren – sowohl bei den Richtern wie bei den Vertretern der Anklagebehörde – Männer von solch hohen juristischen und ethischen Qualitäten kennengelernt, dass ich nur größten Respekt vor ihnen und ihrer Urteilsfindung habe und eine Kritik ablehne.

 

Auch jetzt muss ich es ablehnen, einen Antrag auf Gnadenerweis zu stellen. Als Deutscher glaube ich keine innere Berechtigung zu haben, dem Staatsoberhaupt des Staates Israel eine Bitte vorzutragen oder gar einen Ratschlag zu geben. Bei israelischen Staatsbürgern, wie den Professoren Buber und Bergmann, ist es anders, sie können sich an ihr Staatsoberhaupt und an ihre Regierung wenden.

 

Ich war mir auch nicht immer klar, ob es nur ethische oder religiöse Gesichtspunkte waren, die manche veranlassten, gegen die Todesstrafe in diesem Volk Stellung zu nehmen. Ich habe einige Ältere gefragt, wo ihr Feingefühl und ihre Humanität waren, als Millionen Menschen ermordet wurden.

 

Die Jungen frage ich, was unternehmt ihr gegen die Juristen, die einmal im 3. Reich die Todesstrafe verhängt haben, obwohl eine Zuchthausstrafe möglich gewesen wäre. Noch in diesen Tagen hat der Justizminister Gideon Hausmann mitgeteilt, dass von 54 belasteten Juristen nur 14 von der vorzeitigen Pensionierung Gebrauch gemacht haben.

 

Eine ganz andere Frage ist, ob ein Gnadenerweis angebracht ist bei einem Manne, der, wie wir hören, bis zuletzt keine Reue zeigte und auch kein Wort der Verzeihung fand. Ich habe bei meiner Vernehmung dem Assistenten des RA, Servatius, der mich aufsuchte, gesagt, er möchte Eichmann veranlassen, in aller Öffentlichkeit eine Bitte um Verzeihung auszusprechen.

 

Bei den vielen Menschen im Zuschauerraum und an dem Rundfunk und an den Fernseh apparaten, vor allem in dem Land Israel, sind neue Wunden aufgebrochen. Er könne durch ein solches Wort vielen Menschen, über die er Leid gebracht hat, etwas von der Bitterkeit nehmen. Ich ließ ihm sagen, Leid kann zum Segen werden, Bitterkeit nie.

 

Als ich am Schluss meiner Aussagen von Vergebung sprach, in die ich auch Eichmann mit einbeziehen wollte, versuchte ich dadurch, ihm die Möglichkeit zu einer solchen Erklärung leichter zu machen. Eichmann hat es nicht verstanden, und viele haben das Wort von der Vergebung, die wir erstreben, nicht verstanden und mir in etwa verübelt.

 

Dankbar bin ich der Regierung des Staates Israel, dass sie die Möglichkeit gegeben hatte, dass ein Seelsorger Eichmann besuchen konnte, so oft dieser es wünschte. Mit dem Tode Eichmanns ist die Diskussion über Urteil und Vollstreckung für mich abgeschlossen. Das Problem, das der Prozess stellte, muss weiter behandelt werden.“

 

Dass diese Aufgabe als Herausforderung an uns gestellt ist, daran besteht kein Zweifel. Es wäre gut, wenn ein solcher Abend in diesem Jahr, in dem auch der 120. Geburtstag Heinrich Grübers begangen wird, eine Wiederholung in dieser oder in einer anderen Form finden würde.

 

Grüber

Quelle des Zitats: Heinrich Grüber „ZEUGE PRO ISRAEL“, Berlin 1961.